Dienstag, 1. Februar 2011

Tag 15 - Von Edinburgh nach Innsbruck

23.5.
Start: 6.30 Uhr/8 Uhr
Ende: daheim
Wetter: bedeckt

 Das Ende ist nicht nur nah, das Ende ist da. Es ist beruhigend und betrübend zugleich, dass die Reise vorbei ist, erwarten uns daheim doch Arbeitsalltag, überteuertes Guiness und eine Justizministerin mit Brillenfetisch. Doch H. deutet tröstend auf die Kamera, und ich verstehe: Die Erinnerung stirbt nie.

Bevor wir allerdings alles melodramatisch ausklingen lassen können steht uns noch der Weg zum Flughafen bevor. Schlau und vorausschauend haben wir bereits am Vorabend die Sitzplätze im Shuttle-Auto erworben. Sie gehören jetzt uns und wir werden sie als Sondergepäck hoffentlich nach Österreich bringen können. Das schottische Wetter verabschiedet uns standesgemäß mit kalten Wind und vereinzelten Regentropfen. H. plündert alle rubber things, die er finden kann. Ich bin tief gerührt bei seinem Anblick, wie er die Packungen voller Zuckerzeugs auf seinen Armen balanciert ist auch eine Art Kunst.

Der Flug selbst – die Lufthansafrauen sind wieder zu streng angezogen und verteilen den gleichen Fraß – ist etwas turbulent. Es wackelt immer wieder, was mir den kalten Schweiß auf die Stirn treibt. „I han sagt, gemma zu Fuß“, brülle ich in H.s Richtung, und bekreuzige mich innerlich mehrmals. Er grinst nur, der Arm eines Gummiaffen ragt zwischen seinen Zähnen hervor. Er ist in ein Kohlehydratkoma gefallen. Mir bleibt nur, mich an den Armlehnen festzuklammern und innerlich die Diskussion mit mir zu führen, warum das Flugzeug nicht abstürzen wird. Hauptargument ist und bleibt, dass sich Merkel das im Wahlkampf nicht leisten kann.

Mit tauben Fingern steige ich in Frankfurt aus und breche erleichtert in der Schalterhalle zusammen. Wir leben, mein Gott wir leben. Was H. unterdessen macht erwähne ich nicht mehr, Redundanz bleibt Redundanz.

Man muss jedoch festhalten, dass es einer der härtesten Kulturbrüche generell ist, vom englischen Festland kommend das erste Mal wieder in Deutschland mit der Muttersprache konfrontiert zu werden. Ich würde allen hier am Flughafen gerne Tüten über den Kopf ziehen und sie aufs Rollfeld treiben, dann könnten sie gucken, wo sie denn blieben. Schnell werde ich beim Gedanken an die Kleinheit der uns noch erwartenden Tyrolean-Maschine jedoch innerlich still. H. nötigt mich zum weiteren Kartenspielen, er hat seine Chance erkannt. Und tatsächlich, Mal um Mal gewinnt er erneut, mein in Wochen erworbener Vorsprung beginnt zu schmelzen. Mehrmals pro Minute täusche ich die Sichtung eines Prominenten vor, nur um Zeit zu gewinnen.

Schließlich ist der da, der Moment der Wahrheit. Am Ende des Flughafens – in Wahrheit schon näher an München als an Frankfurt – besteigen wir die blaubäuchige Maschine, die uns in die Heimat bringen soll. Ich flehe die Stewardess an, mich im fensterlosen Frachtraum unterzubringen, so würde ich die Erde beim Absturz wenigstens nicht näher rasen sehen. Sie lächelt nur und drück mir eine Tiroler Tageszeitung in die Hand. Plötzlich fühle ich mich stark.

H. ist schon ungeduldig, er hat sich offenbar an die kulinarische Verwöhnung des Hinflugs erinnert. Und tatsächlich, kurz nach dem Abheben werden wir nicht enttäuscht, Essen und Bier lachen uns aus dem Cateringwagen entgegen. Dazu vertraute Dialektformen rundherum. Ich bin glücklich. Wenig später landen wir in Innsbruck, das Förderband gibt widerstandslos unsere Rucksäcke frei. H. und ich haben es geschafft: Die zweiwöchige Reise nach Hause ist vorbei.