Dienstag, 12. Januar 2010

Tag 3 - Von Edinburgh nach Fort William

11.5.
Start: 6.30 Uhr/ 9.30 Uhr
Ende: 23.00 Uhr
Wetter: Wolkenlos sonnig


P. (gähnend): Morgen.
H. (gurrend): Morgen.
P.: Frühstück?
H.: Geh weg.
P. (aus dem Waschraum zurückkommend): Frühstück!
H.: Gnarg.
(P. und H. verlassen das Zimmer, queren die Straße und betreten den überfüllten Frühstücksraum.)
H.: Kaffee.
P.: Menschen, geh na.
(H. holt sich einen Kaffee, P. drückt die letzten Tropfen Orangensaft aus dem Tetrapack und setzt sich an einen Tisch. H. kommt dazu)
H.: Wi-der-lich der Kaffee. Wi-der-lich.
P.: Dann trink ihn nicht.
H.: Nana, des wäre die einfache Lösung. Lösung, Löskaffee, haha.
P.: Oh du großer Künstler.
H. (ein verbranntes Stück Toast kauend und auf P.s Croissant deutend): Da sind gehärtete Fette drinnen. Des is ungsund.
P.: Des is ein Abenteuer und mir egal.
H.: Gehärtete Fette sag i.
P.: Und deins is krebserregend. Schwarz und krebserregend. Und verbrannt. Des Wetter is heute schön.
H.: Volle.

(H. und P. essen schweigend ihre gehärteten Fette und krebserregenden Brotscheiben und schlucken die Nahrungsergänzungsmittelklumpen mit gefärbtem heißem Wasser hinunter. P. räumt den Tisch zusammen und trägt das Geschirr in die Küche. H. kratzt sich und steht ebenfalls auf)

P.: Gemma, oder?
H.: Jupp.

(Beide verlassen das Haus auf demselben Weg, wie sie gekommen sind, und betreten wieder ihren Schlafraum. H. wickelt mit verliebtem Schlafzimmerblick seinen Jack-Wolfskin-Toilettbeutel ein und seufzt leise. P. stemmt sein Knie gegen den Deckel des Rucksacks und zurrt die Gurte fest)

H.: Gemma, oder?
P.: Jupp. Hasch alls?
H.: Na, aber egal. Hihi.
P.: Witzkanone.
H.: Des is mei Leben. Gemma.
P.: Gemma.

(Die Protagonisten schultern ihre Rucksäcke, P. zieht nach einem letzten gründlichen Blick ins 4,5 Quadratmeter-Paradies die Eingangstüre zu. Nach Abgabe der Bettlaken und der Schlüsselkarte stehen H. und P. auf der Straße. H. deutet nach rechts und geht los, P. folgt kopfschüttelnd im Abstand von einem gefühlten Kilometer)

H.: Jetzt gemma da ummi und dann da aufi, und dann da abi und dann zum Bus.
P.: Ja gut, dass ma scho die Fahrkarten ham.
H. (panisch): Du hasch eh meine eingesteckt?
P.: (diabolisch): Na, vekauft hab i sie, für a zweites Croissant aus doppelt gehärteten Fettsäuren.
H.: Des werden no lange zwei Wochen.
P.: San ja nur mehr 12 Tage – reicht aber auch.
H.: I brauch a Irn Bru.
P.: I brauch an Schnaps.


(Fröhlich plänkelnd gehen H. und P. über die North Bridge und zwischen den Häusern zur Busstation. Konditionell gestählt sind sie bereits Minuten vor der Abfahrt vor Ort. H. kauft sich Irn Bru, Gummigebäck und alibihalber eine Zeitung. P. kauft sich eine andere Zeitung, Wasser, und alibihalber M&Ms. Der Bus fährt ein, die Massen strömen zum Einstieg)

H.: Schau, der hat auch W-Lan.
P.: Des is wirklich der Witz der Reise. I hätt statt dem Schlafsack den Laptop mitnehmen sollen.
H.: Der hat ja eh 14 Zoll, der reicht zum zudecken.
P.: Eben.

(H. und P. verstauen ihre Rucksäcke im Unterbauch des Busses und suchen sich getrennte Sitzplätze. H. späht gierig-sprungbereit auf die M&Ms)

P.: Trinkt du dei Irn Bru und iss deine rubber things.
H. (emotionale Bedrücktheit heuchelnd): Is scho leer.

(Der Bus fährt ab – auf der falschen Straßenseite – und bringt die Passagiere in gestrecktem Galopp nach Glasgow)


H. (besserwisserisch): Glasgow isch koa schöne Stadt. Da merkt ma glei die Klassenunterschiede.
P.: Aber der Busbahnhof isch eh recht putzig. Und a Uni hams a.
(deutet auf einen Schriftzug an einem Gebäude)
H.: Kimm, aussi, i muss no was zum Essen holen. Und Irn Bru.
P.: Des überrascht mi nitta.
(Beide stürzen hinaus, H. nimmt sogleich Witterung auf. P. genießt die fremdländische Atmosphäre der Busstation)
H. (kauend): Da drüben gibt’s Brote.
P.: Ok, i bin glei wieder da.
H.: I halt den Bus auf.
P.: Bitte ja, bitte.
(P. stürzt laufend zum bereits aufbruchbereiten Bus. H. steht heldenhaft in der Tür)
H.: Er hot gsagt, in zwei Minuten fahr ma, in genau zwei Minuten.
P.: Ja dann, eh massig Zeit. Hock di hin.
H.: Selber.

(Die Fahrt nach Fort William beginnt. Hinaus aus dem vermeintlich hässlichen Glasgow, vorbei an Bäumen und Häusern und Vögeln, entlang von Lochs und Hügeln. Hübsch. Schön könnte man sagen. Erfreulich in jedem Fall. H. erzählt launige Anekdoten von seiner Reise am Westhighland-Way, die ihn einst auf eine ähnliche Route führte wie jetzt den Bus. P. nickt interessiert und haucht sein eiskaltes Mozarellabaguette an. Nach Stunden der Fahrt: Pause. Eine Busstation im Nirgendwo. Die Zahl der Menschen mit Rucksäcken steigt merklich an. Die Reise wird interessant)


H. (gähnend): Nachernd samma da, Fort William (deutet aus dem Fenster).
P.: Schaug an, eh ganz nett.
H.: Se outdoor capital of se UK.
P.: Aha. Magsch no a M&M?
H.: Alle.


(Sie steigen aus und schultern die Rucksäcke. Ein kurzer Fußmarsch führt sie zur Bankstreet-Lodge, dem Ruheplatz für die kommende Nacht. Lethargische Begrüßung, dafür Zimmer mit Fernseher. H. dreht ihn auch augenblicklich auf)


P.: Du kannsch a nit ohne, gell?
H.: Können schon, wollen nit. Harhar.
P.: Medienkrüppel.
H.: Und stolz drauf.

(H. springt ins Bett, die Fernbedienung zwischen den Zähnen. Er gurrt wohlig, während er von Kanal eins über Kanal zwei und drei bis Nummer vier schaltet. Dann wieder retour, auch einmal einen Sender überspringend)

P.: So, was brauchma no?
H.: Irn Bru. Rubber things.
P.: Und abseits des Lebensnotwendigen? Karten? Essen? Trinken? A Boot?
H.: Eh, gemma glei. I brauch no an Gürtel. Und Handschuh wären gut. Und a Hosen. Und Gas. Und an Hammer.
P.: Ja wo sollma des jetzt kriegen in dem Dorf?

(P. schweigt einsichtig. Geschätzte 93 Sportgeschäfte säumen die – einzige – Hauptstraße von Fort William. Dazwischen Pubs und eine Tourist Information. Andere Läden gibt es nicht. Überall hängen Schilder mit Preisreduktionen und Ausverkaufsangeboten. Auch bei der Tourist Information: Gäste aus Osteuropa sind besonders billig zu haben)

P. (die Sprache wieder findend): Des schaut ja gar nit so schlecht aus.
H.: Da eini gemma, da siech i scho a Hosn.
P.: Und i Handschuh. Günstige Handschuh.

(Im Einkaufsrausch erwerben P. und H. Hose, Unterhemd, zwei Paar Handschuhe und ein Paar Socken. Kaum aus dem Geschäft dreht H. wieder um)

H.: Gas. Mir brauchen Gas.

(Wie sich herausstellt gibt es nirgends Gas für den Kochaufsatz von H., dafür andere interessante Dinge)

P.: Der Hammer isch scho recht groß.
H.: Aber a Hammers wärs scho, wenn ma an Hammer mitnehmen.
P.: Nit besser a Netz gegen die Viecher?
H.: Mit dem Hammer kannsch a alle Viecher daschlagn.
P.: Also dann der Hammer.

(P. kauf einen überdimensionalen blauen Plastikhammer, der auch als Waffe durchgehen könnte. Dieses Gedankens gewahr werdend kann sich P. eines Lächelns an der Kassa nicht enthalten)

P.: Den trag dann i, ge.
H.: Tua du lei. Mir brauchen Gas (betritt ein Waffengeschäft).
P.: Schau, da hams Äxte.
H.: I will den Patronengürtel. Aber des Gas passt fürcht i a nitta.

(Nach längerer Suche lassen sich doch noch passende Gaskartuschen auftreiben, H. und P. sind merklich erleichtert. H. kauft im Überschwang noch einen Gürtel um fünf Pfund)

H.: Wart, jetzt schaug ma no glei wegen em Boot. Der Pier isch da unten (deutet wirr in die Luft).
P.: Wenn du des sagsch.
H. (an einen Einheimischen): Where does the Camusnagaul-ferry leave?
Einheimischer: Its broken.
P.: Was hat er gsagt?
H.: Hin ischs. What do you mean broken?
Einheimischer: The engine is gone.
H.: For long?
EH.: For ever.
H.: Alls im Eimer. Koa Boot.
P.: Können ma nit ummigehn? Oder am Land fahren?
H.: Na, des wär a Riesenumweg. When will the ferry work again?
EH.: They are working this night, the engineer is good. So we hope the best.
P.: Sigsch.
H. Ja dann hoffen und beten. Und jetzt Proviant.

(Man steuert den Supermarkt an und beginnt die Suche nach Essbarem in kompakter Form)

H.: Brot, Äpfel, Müsliriegel.
P.: Und polnische Trockennudeln mit Tomatensauce. Die wiegen nix.
H.: Gut, dann können ma mehr Bier mitnehmen.
P.: Juhuu.

(Beiden gefriert das Lachen beim Erfühlen des Gewichts der vollen Dosen)

P.: Ja des nutzt nix, da müssma durch. Wird ja dann bald leichter.
H. (lacht nervös): Ja eh.

(H. und P. bringen den Proviant zurück ins Hotelzimmer, H. dreht augenblicklich den Fernseher auf. P. schichtet den Inhalt seines Rucksackes um und schaut sorgenvoll auf den erstaunlich großen Berg an Ausrüstung und Essen)

P.: Gemma trinken?
H.: Und Schnapsen, du hasch eh die Karten mit?
P.: Ja.
H.: Dann.
P.: Geh.

(Sie betreten ein Pub im Untergeschoss eines alten Hauses, das nur durch eine düstere Gasse erreichbar ist. Der Kellner sieht aus wie ein heroinabhängiger Capoeira-Tänzer. Er spielt Bowling auf der Wii und stellt freudig zwei Tennents bereit)

H.: Prost.
P.: Das letzte Mal in der Zivilisation.
H.: Mir könnten morgen in der Früh…
P.: Hihi.
H.: Tua aussa di Karten, jetzt zockma.
(Es entbrennt sogleich ein heißes Kartenspiel, das H. natürlich verliert. Frustriert beginnt er, Münzen in einen blinkenden Automaten zu werfen)


H.: Kimm jetzt spiel ma Millionenshow. Da kannsch Geld gwinnen.
P.: De Apparate san lei Abzocke.
H.: Eben deswegen.
P.: Dann wart, i hab no Münzen.

(Ein kleines Vermögen später ziehen H. und P. ab. Der Kellner bowlt mittlerweile 100 Pins. Beim Spaziergang zurück hört man den Motor der Fähre schon wieder rattern, helle Beleuchtung an Deck verrät die Betriebsamkeit. In der Herberge sucht H. zitternd nach Gumminahrung, findet aber keine. Auch kein Irn Bru. Erneut frustriert schaltet er den bereits laufenden Fernseher aus und anschließend gleich wieder ein. Dann gurrt er wieder wohlig)


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